Inhaltsverzeichnis
1. Wenn gar nichts mehr zu gehen scheint
Wenn ein Abbruch des Kontaktes bereits in der Luft liegt: Vielleicht haben die Eltern schon damit gedroht. Vielleicht gibt es nahezu jedes Mal Streit und Kränkungen. Vielleicht werden die Abstände zwischen den Kontakten immer größer. Wenn die Großeltern anrufen, sind alle gerade beschäftigt. Verabredungen werden mit verschiedenen Begründungen abgesagt. Einen neuen Termin kann man leider gerade nicht machen, weil …
Viele Großeltern ahnen schon, dass es da ein Problem gibt. Aber sie finden einfach nicht den Mut, ihre Befürchtungen anzusprechen. Meist fühlen sie sich dem Geschehen einfach ausgeliefert. Je größer der Problemberg ist, der sich unter dem Teppich angesammelt hat, desto schwieriger ist dann das Gespräch.
Ich sehe jedoch als einzige erfolgversprechende Lösung, ein solches zu suchen. Ist ein Termin gefunden, bei dem ausreichend Zeit und Ruhe ist (die Enkelkinder sollten gut versorgt sein in der Zeit), gilt es, die eigenen Befürchtungen anzusprechen, zu formulieren, was man sich wünscht und dann zu lauschen.
Erstes Ziel ist es, zu verstehen, was die Eltern stört oder kränkt, was sie den Kontakt zunehmend meiden lässt.
Großeltern sollten sich quasi in die Forscherrolle begeben, und nicht aus einer Anklage-Rechtfertigungs- und Forderungsrolle heraus agieren. Wichtig ist, dass die erwachsenen Kinder sich erst einmal mit ihrer Sicht der Dinge verstanden fühlen.
gemeinsame Standpunkte finden
2. Suchen Sie nach Gemeinsamkeiten in den Standpunkten
Wir wollen also alle, dass es weniger Streit gibt. Wir wollen vor allem nicht vor den Kindern streiten. Wir wollen, dass die Kinder weiter den Kontakt zu ihren Großeltern behalten dürfen. – Suchen Sie dann gemeinsam eher nach Lösungen als sich in unsägliche Diskussionen zu verwickeln, wer wann was gesagt hat.
Hilfreich sind Fragen wie: „Was würdest du brauchen, um dich in unseren Kontakten wohler zu fühlen?“ „Was könnten wir tun, damit es besser läuft?“
Suchen Sie nach Ansätzen, was vor allem Sie selbst tun könnten, statt ihren Kindern zu sagen, was die tun müssten. Sie dürfen Wünsche formulieren, was sie bräuchten, um sich besser zu fühlen. Sprechen Sie eher über Ihre eigenen Gefühle in bestimmten Situationen statt mit Du-Botschaften doch wieder in Vorwürfe zu verfallen. Vereinbaren Sie, wann gemeinsam geschaut werden soll, ob die gefunden Lösungsansätze funktionieren (z.B. Telefonzeiten zu vereinbaren, wann Großeltern am wenigsten mit einem Anruf den Tagesablauf stören)
In meinem Buch (siehe bitte unten) finden Sie viele Hinweise dazu, was hilft solche Problemgespräche konstruktiv zu führen!
3. Ein Kontaktabbruch muß nicht endgültig sein
Ist ein Kontaktabbruch verkündet worden, gilt: Man soll niemals nie sagen!
Das ist eine Weisheit, die ich von meinen Großeltern übernommen habe. Oder: Die Zeit heilt viele Wunden. Kränkungen verblassen. Erwachsene Kinder können im Laufe ihres Lebens ihre Meinung ändern und sich vielleicht doch wieder zumindest für Minimalkontakte öffnen. Enkel können mit ihren Fragen nach den Großeltern ihren Eltern Anstöße geben, Entscheidungen zu überdenken. Wenn sie volljährig sind, können sie sich selbst auf die Suche nach den Großeltern begeben und sich ein eigenes Bild davon machen, was damals zum Bruch geführt hat.
Vielleicht gibt es Menschen, die Kontakt zu den Familien haben und signalisieren könnten, wann ein neuer Versuch Sinn macht?
Oder die sogar für eine Versöhnung werben könnten?
Vielleicht die anderen Großeltern, wenn diese zumindest neutral den verstoßenen Großeltern gegenüber sein können?
Dann könnten sich Großeltern vielleicht ein Familienfoto zu Weihnachten wünschen. Aber bitte nur ganz vorsichtig kleine Schritte machen!
So geht es nicht! Emotionale Wogen sind zu glätten.
4. Emotionale Wogen müssen zuvor geglättet werden
Die Schwierigkeit besteht darin, eine gute Balance zu finden, die Entscheidung der Kinder für jetzt zu akzeptieren, aber zu vermitteln, dass Sie als Großeltern jederzeit für eine Korrektur ihrer Entscheidung offen sind.
Deshalb macht es meist Sinn, die emotionalen Wogen sich erst einmal etwas glätten zu lassen. Auf beiden Seiten. Unsere erwachsenen Kinder befinden sich noch mitten in ihrer Entwicklung. Da gibt es manchmal so manche Baustelle. Im Gegensatz zu uns Älteren sind sie jedoch zumeist so von ihrem Alltag in Anspruch genommen, dass für eine bewusste Beschäftigung damit die Kraft nicht reicht. Oft ist zudem auch keine Einsicht da, dass alles, was zwischen Menschen geschieht, immer mit beiden Seiten zu tun hat. Es ist dann einfacher, sich auf einen identifizierten Schuldigen einzuschießen. Diese Entwicklung können wir von außen aber nicht beeinflussen.
5. Ein permanentes Aufdrängen ist nicht hilfreich
Natürlich sollten Sie sich auf keinen Fall aufdrängen. Das könnte bei Anrufen oder gestellten „Zufallstreffen“ schnell der Fall sein. Vielleicht ist es aber möglich, WhatsApp, Geburtstags- und Weihnachtskarten an die erwachsenen Kinder oder Emails zu nutzen, um zu signalisieren:
– Ich denke an euch, ich bin noch da.
– Ich bin jederzeit offen für eine Wiederannäherung.
– Ich bin dabei eindeutig eher für die klassische Papierform, bei der es vielen Menschen doch schwerer fällt, sie einfach zu entsorgen.
Eine WhatsApp oder Mail ist mit einem einzigen Mouseclick schnell gelöscht. Regelmäße Lebenszeichen sind wie eine ausgestreckte Hand. Nicht überflutend, sondern wohl dosiert. Ohne Erwartung oder gar Verpflichtung, auf diese zu reagieren zu müssen. Ohne dass sofort der nächste Schritt erfolgen muss, wenn es eine kleine Reaktion gab. Es ist an den erwachsenen Kindern, ihre Entscheidung über den Kontaktabbruch zu überdenken (das werden sie tun, garantiert, auch wenn Großmutter oder -vater davon vielleicht gar nichts mitbekommen).
6. Ein liebesvolles Dranbleiben kann aber helfen
Mit ihrem Dranbleiben zeigen Großeltern, dass ihnen ihre Enkelkinder weiterhin wichtig sind. Sie schreiben regelmäßig zu den Geburtstagen ihren Enkelkindern einen Brief sowie zu Weihnachten Grüße an diese.
Sie suchen dafür eine besondere Karte aus oder gestalten den Brief an die Enkel (z.B. mit Stickern) liebevoll so, wie sie gerade vermuten, dass sie dem Enkelkind eine kleine Freude bereiten. So dass dieses merkt, dass viel Liebe darin steckt. Sie schreiben, dass sie regelmäßig an das Enkelkind denken. Dass sie die Entscheidung der Eltern respektieren, aber noch hoffen. Erzählen (nicht zu viel) von sich selbst: dass sie einen neuen Hund haben, schicken ein Foto von ihm mit. Dass sie immer noch gern an den gemeinsamen Urlaub zurückdenken. Berichten, was sie gerade erlebt haben. Vermeiden jedoch alles, was dabei Schuldgefühle auslösen könnte: Klagen über Einsamkeit und Traurigkeit. Lesen sich ihr Geschriebenes noch einmal mit den Augen ihrer Tochter/ihres Sohnes durch. –
Ob diese Lebenszeichen tatsächlich von den Eltern vernichtet, übergeben oder wenigstens irgendwo in einem Schuhkarton gesammelt werden?
7. Dies können Großeltern nach einem Kontaktabbruch für sich selbst tun
Wenn die Briefe ungeöffnet zurückkommen, können Großeltern Briefe mit einem fiktiven Dialog mit dem Enkelkind schreiben. Ihre Gedanken mitteilen: „Ich frage mich, wie es dir gerade in der Schule gefällt? Ob du eine nette Lehrerin hast? Ob du immer noch so gern Fußball spielst? Was dir in der Schule am meisten Spaß macht?“
Falls Ihnen nicht einmal die Anschrift bekannt ist, sammeln sie die Briefe selbst. Irgendwann nach dem Ableben der Großeltern wird der Haushalt (meist von ihren Kindern) gesichtet und aufgelöst. Vielleicht werden diese dann diesen Schatz heben und an die Enkelkinder weiterleiten?
Manche Großeltern machen Tonaufzeichnungen, archivieren diese oder übermitteln sie als Datei. Sie lesen vor. Es gibt so wundervolle Kinderbücher. Oder sie lesen aus einem Buch, das Mama oder Papa als Kind sehr mochten.
Bei kleineren Kindern singen sie die alten Kinderlieder. Wenn sie ein Instrument spielen können, gibt es ein kleines Konzert. Was könnte dem Enkelkind gerade gefallen? Andere Großeltern erzählen von früher. Aus der Kinderzeit der Eltern beispielsweise. Schöne Erlebnisse aus der Zeit, als es vielleicht noch Kontakt zum Enkelkind gab. Oder sie erzählen von sich selbst, von dem, was ihnen wichtig ist, was Sie bewegt. Davon, was sie ansonsten noch so über die Menschen der Familie in den vergangenen Generationen wissen.
Ich habe einen Großvater kennengelernt, der ein spezielles „Enkeltagebuch“ angelegt und geführt hat: Heute ist Ostern. Was ich dir gern geschenkt hätte. Wo ich gerne etwas für dich versteckt hätte. Wie ich mir vorgestellt habe, dir beim Suchen zuzuschauen. – Heute habe ich ein kleines Mädchen etwa in deinem Alter kennengelernt und mich natürlich gefragt, wie du inzwischen aussiehst… Ob du auch wie sie die Eiskönigin magst. – Heute beginnt das neue Schuljahr. Als ich damals in der 3. Klasse war…
Oma und Opa können auch eine Traditionskiste für ihr Enkelkind anlegen. Hinein kommen vielleicht Spielzeuge aus der Kinderzeit der Eltern (ein Holzspielzeug oder Legosteine der 80 und 90Jahre) ein Stofftaschentuch, Fotos aus ihrer Kindheit und von anderen Ahnen, eine Weihnachtsbaumkugel, die noch von den Urgroßeltern stammt, etwas aus ihrer Sammlung z.B. von Halbedelsteinen oder etwas anderes, das ihnen wichtig war.
Eine Kleinigkeit, die sie dem Enkelkind gerne geschenkt hätten wie einen Schutzengel zur Einschulung, ein Schmuckstück zum bestandenen Abitur.
Diese Schatzkiste kann er/sie spätestens nach dem Tod der Großeltern entdecken.
Natürlich muss man sich bei all seinen Bemühungen auf das Alter der Enkelkinder einstellen und die Kontaktangebote sozusagen mitwachsen lassen. Ich denke jedoch, dass selbst coole Jugendliche gerührt sein werden, wenn sie Jahre später entdecken, dass sie im Leben der Großeltern trotz der fehlenden Kontakte eine wichtige Rolle gespielt haben. Das kann Balsam für jede Seele sein.
Ist der Kontakt noch nicht völlig abgebrochen, gibt es manchmal offenbar eher Probleme bei der Suche nach praktikablen Lösungen. Zum Beispiel für die größeren Highlights im Leben wie größere Geburtstagsfeiern, Osterfeier, Konfirmation/Jugendweihe, Abiturfeier, ein wichtiger Auftritt oder später sogar der Hochzeit der Enkelin oder des Enkels.
Wenn Familienmitglieder nicht an einem Tisch sitzen oder sich nicht einmal mehr in einem Raum aufhalten können, ohne dass Gewitterstimmung oder Eiszeit herrscht, muss nach kreativen Lösungen gesucht werden. Eine besonders einfühlsame Jugendliche erzählte mir einmal, dass sie sich Sorgen machte, bei einer solchen Feier ja immer einer Großelternseite den Rücken zuwenden zu müssen, wenn sie mit der anderen Seite sprach …
Das hat ihr die Feier im Übrigen sehr vermiest.
Ich wünsche allen Enkelkindern, dass die ihnen wichtigen Erwachsenen ihnen zu Liebe wenigstens an diesen Tagen ihre eigenen Befindlichkeiten, Kränkungen und Geschichten, die in der Regel ja ursächlich mit den Enkelkindern überhaupt nichts zu tun haben, so weit zurückstellen können, dass eine gelungene und entspannte Feier möglich wird!
8. Können Großeltern den Umgang mit ihren Enkelkindern einklagen?
Sollten sie dies tun?
8.1 Rechtslage in Deutschland
Der § 1685 BGB regelt den Umgang der Großeltern und anderer Personen mit den Kindern. Hiernach haben Verwandte nicht per se ein Recht auf Umgang mit dem Kind. Anders als im Falle der Kindeseltern, denen grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihrem Kind zusteht, bestehen Umgangsrechte der Großeltern sowie anderer Verwandter und sonstigen Bezugspersonen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen.
Der Umgang müsste im Streitfall über das Familiengericht eingeklagt werden. Dabei werden die Gesamtumstände jedes Einzelfalls genau geprüft. Durch den Antragsteller ist nachzuweisen, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Das ist immer dann der Fall, wenn es eine Bindung zum Kind gibt und deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist (§1626 Abs. 3 BGB). Das Erziehungsrecht der Eltern hat immer Vorrang und kann nur unter engen Voraussetzungen umgangen werden.
Letztendlich gilt das sogenannte Kindeswohlprinzip (§1697a BGB), dieses hat berechtigterweise Vorrang vor allen Wünschen und Bedürfnissen der Erwachsenen.
Wenn die Beziehung der Erwachsenen so angespannt ist, dass eine gütliche Einigung über den Umgang nicht möglich ist, ist es für mich jedoch fraglich, ob ein erzwungener Umgang nicht dem Kind eher schadet. Das Kind spürt ja, dass mindestens ein Elternteil diesen Umgang eigentlich nicht möchte. Schnell entsteht eine spannungsgeladene Atmosphäre rund um die Umgänge und das Kind kommt in einen Loyalitätskonflikt. In diesem Fall wird ein Gericht den Antrag somit eher ablehnen. Verantwortungsbewusste Großeltern entscheiden sich von vornherein für einen Verzicht auf eine Klage, da damit sozusagen die letzte Tür zur Familie der Kinder zugeschlagen würde und entwickeln lieber eine alternative Strategie.
8.2 Rechtslage in Österreich
Grundsätzlich besteht auch hier ein Umgangsrecht zwischen Großeltern und Enkelkindern. Allerdings gibt es diesbezüglich eine untergeordnete Priorität und der Umgang steht den Großeltern nur dann zu, wenn die Beziehung der Eltern zum Kind dadurch nicht beeinträchtigt wird.
8.3 Rechtslage in der Schweiz (8)
Ein gesetzlicher Anspruch auf Umgang besteht nicht. Aber auch der Schweizer Gesetzgeber geht davon aus, dass eine gesunde Beziehung zwischen Großeltern und Kind wünschenswert ist.
Wenn Sie selbst betroffen sind – geben Sie nicht auf. Auch wenn vielleicht ein kleines oder größeres Wunder passieren muss, damit wieder Kontakt entsteht. Wunder geschehen!
Schließe ab mit dem, was war.
Sei glücklich über das, was ist.
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9. Unsere Buchempfehlung „Reise ins Land der Großeltern“
– Wie ein lebendiges Miteinander von Enkelkindern, Eltern und Großeltern gelingt
Autorin: Sybille Herold
Die frühere Diplom-Psychologin Sybille Herold ist heute selbst Oma und kennt drei Seiten des Zusammenlebens von Enkeln, Eltern und Großeltern.
Schon aus ihrer Zeit der Familienberatung bringt Sybille Herold die nötige Erfahrung mit und kann dementsprechend allen Beteiligten in dieser Dreierkonstellation ein wertvoller Ratgeber sein.
Es geht in dem Buch um die Frage, wie wir uns selbst an unsere Großeltern erinnern und welche Rolle Oma und Opa heute in der modernen Familie haben.
Wo gibt es feste Aufgaben, wo liegen Grenzen?
Und was ist möglich, wenn keine Kontakte gewünscht sind?
Auf einfühlsame Weise wird das Buch zum wertvollen Begleiter für alle wichtigen Fragen rund um die Großelternschaft.
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Autorin dieses Beitrages: Sybille Herold
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